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Mythos Hochbegabung



Die hochbegabte Führungskraft mit dem angeborenen Leader-Gen, das Wunderkind, der geborene Sportler, dem die Zukunft bereits in die Wiege gelegt wurde – beliebte Mythen, welche bei erfolgreichen Karrieren gerne herangezogen werden.


Werfen wir einen Blick auf gängige Mythen zum Themenfeld „Begabung, Talent und Potenzial“- und zuallererst: Wie definiert man diese Begriffe eigentlich?


Potenzial meint eine bestehende, aber noch nicht ausgeschöpfte (Entwicklungs-) Möglichkeit. Potenzial beschreibt damit eine Chance, die z. B. durch Förderung Wirklichkeit werden kann.


Unter Talent versteht man bereits entwickelte, sichtbare Begabung. Da Leistungen i.d.R. in bestimmten Bereichen erbracht werden, wird der Talentbegriff auch oft entsprechend spezifisch verwendet und auf Leistungen in einem bestimmten Bereich bezogen (z. B. mathematisches, musikalisches oder sportliches Talent).


Werfen wir nun einen Blick auf die gängigsten Mythen.


Mythos 1: „Hochbegabung = hoher IQ“

Von Hochbegabung spricht man bei einem IQ von über 130. Hohe Begabungen können neben dem kognitiven Bereich auch in anderen Domänen vorliegen, die nicht über einen IQ-Test erfasst werden. Begabungen können in verschiedenen (auch nicht-intellektuellen und nicht-schulischen) Domänen auftreten. Im Münchner Hochbegabungsmodell (Heller, 2001) beispielsweise werden folgende Begabungen genannt: intellektuelle Fähigkeiten, kreative Fähigkeiten, soziale Kompetenz, Musikalität, Motorik, künstlerische Fähigkeiten und praktische Fähigkeiten.


Mythos 2: „Begabung ist ausschließlich vererbt“

Begabung ist nur zum Teil genetisch bedingt, sie ist v.a. im Kindes- und Jugendalter stark von Einflüssen der Umwelt geprägt. Am besten beforscht sind Umweltfaktoren, die auf die Intelligenzentwicklung Einfluss nehmen: Ernährung, Bildungsstand und Erziehungsverhalten der Eltern, Dauer und Qualität des Schulbesuchs, Krankheiten usw. (Husen & Tujnman, 1991).

Wie hoch der genetische bzw. Umweltanteil an z.B. der individuellen Intelligenzausprägung einer Person ist, kann bis heute – nach mittlerweile über 140 Jahren wissenschaftlicher Untersuchungen – nicht schlüssig beantwortet werden. Schätzungen reichen beim genetischen Einfluss von 20 bis 80%, abhängig vom Lebensalter (Resch, 2012). Einig sind sich alle Modelle und Studien aber in der Bedeutung und Wirksamkeit von Förderung.


Mythos 3: “Jeder Mensch ist in irgendeinem Bereich besonders begabt“

Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass ungefähr 15–20% aller Menschen in einem oder mehreren Gebieten überdurchschnittlich begabt und davon wiederum circa 2-3 % hochbegabt sind.

Viele Fähigkeiten und Verhaltensweisen sind normalverteilt, d.h. dass sich im Durchschnittsbereich die meisten Personen befinden, während verhältnismäßig wenige Personen über- oder unterdurchschnittliche Ausprägungen des jeweiligen Fähigkeits- oder Verhaltensmerkmals aufweisen (Neubauer & Stern, 2013). Statistisch gesehen ist es also unmöglich, dass alle Menschen in irgendeinem Bereich im Spitzenbereich liegen.


Mythos 4: „Begabung ist ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal“

Nein, Begabung ist keine feste Größe, sondern lediglich ein Potenzial, das nur im Zusammenspiel von günstigen Persönlichkeits- und Umweltfaktoren sichtbar wird. Persönlichkeitsfaktoren und Kompetenzen wie Motivation, Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen, Kommunikation- und Teamfähigkeit, Selbstorganisation oder auch Stressbewältigung entscheiden maßgeblich darüber, ob eine erfolgreiche Entwicklung vom Talent zur Leistungsexzellenz stattfindet. Zu den Umweltfaktoren, die Begabungsentfaltung beeinflussen, zählt die wirtschaftliche, medizinische und kulturelle Lebenssituation. Hat man alle diese Faktoren im Blick, so wird klar, dass Begabung leider auch unentdeckt bleiben oder zwar aufblitzen, aber auch wieder verschwinden kann.


Fazit:

  • Begabung ist nur ein “angeborenes Möglichkeitsfenster”

  • Talent ist nicht automatisch gleichzusetzen mit Erfolg, Begabung ist kein Selbstläufer

  • Hochbegabung führt nicht automatisch zu hoher Leistung

  • Angeborene Begabungsfaktoren können somit nur bei positiver Persönlichkeitsentwicklung und unter der Voraussetzung eines förderlichen Umfelds in Leistung umgesetzt werden

Literatur:

  • Neubauer, A.C. & Stern, E. (2013). Intelligenz – Große Unterschiede und ihre Folgen. München: DVA

  • Münchner Hochbegabungsmodell (K. Heller), 2000.

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